Digitale Technologien ermöglichen neue Formen politischer Partizipation und eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen.
Für eine aktive Gestaltung zukünftiger gesellschaftlicher und politischer Teilhabe ist ein bewusster Umgang mit den Risiken ebenso erforderlich wie der Wille, neue Methoden und Praktiken zu erforschen und anzuwenden.
In den vergangenen Jahren waren es häufig negative Schlagzeilen, die das Bild digitaler Technologien und deren Auswirkung auf Politik und Gesellschaft geprägt haben: Vorfälle, wie die Einflussnahme privater Unternehmen wie Cambridge Analytica auf die politische Kommunikation im US-Wahlkampf 2016, oder die Desinformationskampagnen im Vorfeld des Brexit-Votums, haben zu einer skeptischen Haltung gegenüber dem Einfluss digitaler Informationstechnologien auf politische Prozesse beigetragen.
Zu leicht scheint es, Falschinformationen online zu verbreiten. Zu intransparent scheint eine vollständig digitalisierte Stimmauszählung, als dass sie sich mit den Standards demokratischer Wahlen vereinbaren ließe. Gleichzeitig ermöglichen neue Informationstechnologien einen völlig neuen Zugang zu Wissen, der politische Partizipation in vielerlei Hinsicht vereinfachen kann.
Die zunehmende Vernetzung zivilgesellschaftlicher Akteure stärkt Bewegungen und vereinfacht politischen Aktivismus. Um digitale Technologien jedoch bestmöglich und gesellschaftsverträglich zu nutzen, muss der Umgang mit ihnen bewusst gestaltet werden.
Wie kann dieser Umgang aussehen? Wie können wir digitale Informationstechnologien nutzen, um demokratische Prozesse und Teilhabe zu stärken? Das waren die Fragen, der sich ein vom Verein Villa Aurora & Thomas Mann House in Kooperation mit STATE, Goethe Pop Up und der University of Washington organisierter, zweitägiger Workshop widmete. Das Projekt Pocket Democracy fand Ende Oktober parallel im STATE Studio in Berlin-Schöneberg und in der US-Stadt Seattle statt und brachte Aktivist*innen, Forscher*innen, Künstler*innen, Student*innen und Expert*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. Die Veranstaltung war Teil des vom Auswärtigen Amt initiierten Deutschlandjahrs „Wunderbar together: Germany and the U.S.“
Der vorliegende Bericht fasst den Berliner Workshoptag am 25. Oktober zusammen. In drei Themenblöcken – Desinformation, Parteipolitik und digitale Opposition und demokratische Wahlen – waren die Teilnehmer*innen dazu aufgerufen, die Ausgangs- fragen zu diskutieren, Zukunftsszenarien zu entwerfen und sich über Ideen und Möglichkeiten auszutauschen. Jede Session wurde mit kurzen inhaltlichen Inputs der eingeladenen Expert*innen eröffnet. Nach einer ersten Diskussionsrunde wurden in Kleingruppen konkrete Konzepte und Zukunftsvisionen formuliert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Linnéa Riensberg und Merlin Münch.
WORKSHOP 1
Desinformation
Philipp Hübl und Alexander Sängerlaub sprachen mit den Teilnehmer *innen des Workshops über die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Manipulation von Daten und Medieninhalten und was in Zeiten einer digitalen Öffentlichkeit nötig ist, um den gesellschaftlichen Diskurs zu stärken und widerstandsfähiger zu machen.
INPUT & DISKUSSION
Wie vielschichtig das Thema ist, wurde an den unterschiedlichen Ansätzen von Philipp Hübl und Alexander Sängerlaub deutlich: Hübl, Philosoph, Dozent und Autor, fordert in Zeiten digitaler Informationsbeschaffung in seinem gleichnamigen Buch eine „Bullshit-Resistenz“ und betonte: „Wir müssen uns selbst darin trainieren, kritisch zu denken und uns mentale Kurzschlüsse klarmachen.“ Nur so könnten wir vermeiden, uns von Fake News in unserer Meinungsbildung fehlleiten zu lassen. Mit Bezügen zur Sozialpsychologie und Philosophie erläuterte er, welche Faktoren beeinflussen, dass wir Informationen Glauben schenken. Außerdem zeigte er, welche Schwächen im menschlichen Denken und Verhalten uns für Manipulationen anfällig machen und wie wir uns dagegen schützen können.
Alexander Sängerlaub leitet bei der Stiftung Neue Verantwortung das Projekt „Stärkung digitaler Öffentlichkeit“. Der Fokus seiner Arbeit liegt darauf, gesellschaftliche Resilienz zu fördern. Er legte dar, wie neue Informationstechnologien die Medienlandschaft verändert haben. In seinem Vortrag ging er darauf ein, welche Maßnahmen bisher im Kampf gegen die Verbreitung von Fake News ergriffen wurden und wie wirksam diese seien. Zwar trüge die Digitalisierung der Berichterstattung zu einer Demokratisierung der Öffentlichkeit bei, indem beispielsweise freier und direkter als je zuvor Meinungen ausgetauscht werden können. Sie habe jedoch auch zu etwas geführt, das Alexander Sängerlaub nach Georg Franck mit dem Begriff der „Aufmerksamkeitsökonomie“ beschreibt: eine vom Algorithmus bestimmte Aufbereitung von Nachrichten, bei der es eher darum gehe, Klicks zu generieren, als darum, Inhalte möglichst sachlich zu vermitteln. Auch die schwindende Gatekeeperrolle von Journalist*innen sei ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssten: Eine journalistische Auswertung und Einordnung von Informationen, für die Printmedien standen, ist im Netz, unter anderem durch die hohe Geschwindigkeit, mit der Informationen geteilt werden, weitaus schwieriger. Das Fact-Checking, also die Überprüfung von Informationen auf ihre Richtigkeit, verfehle immer öfter seine Wirkung, weil es häufig erst greife, wenn die Falschinformationen schon im Umlauf seien.
Mit diesen Denkanstößen begaben sich die Teilnehmer*innen in Kleingruppen. Durch gemeinsame Überlegungen wurden insbesondere zwei Fragen herausgearbeitet, zu denen die Gruppen Lösungsvorschläge entwarfen. Alexander Sängerlaub diskutierte mit den Teilnehmer*innen darüber, welche Verantwortung große Plattformen wie Facebook in der Auseinandersetzung mit gezielter Desinformation tragen. Philipp Hübl beschäftigte sich in der zweiten Gruppe mit dem Wahrheitsbegriff und wie man den kritischen Umgang mit Informationen lernen kann.
In einem Gedankenspiel sollten alle Beteiligten eine Vision für die Gesellschaft im Jahr 2030 erarbeiten. Wie würde diese Gesellschaft idealerweise mit Desinformation umgehen? Würde das Thema überhaupt noch eine Rolle spielen? Und wenn nicht: Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um diesen Zustand zu erreichen?
ERGEBNIS WORKSHOPSESSION 1
„Was kann aus der ‚alten Welt‘ in die ‚neue Welt‘ mitgenommen werden?“, fragte Alexander Sängerlaub mit Blick auf Regularien im Netz. Schnell wurde klar: Um Herausforderungen zu begegnen, brauche es neue Maßnahmen – eine Digitalsteuer beispielsweise. So könnte man den Verkauf personenbezogener Daten und Werbeeinnahmen besteuern. Es gebe aber auch Altbewährtes, das übernommen und transformiert werden könne: Die Teilnehmer*innen sprachen sich zum Beispiel mehrheitlich für eine Entökonomisierung sozialer Netzwerke aus. Stattdessen sollten diese stärker von einem Gemeinwohlgedanken getragen sein. Was das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Radio und Fernsehen ist, könne auch für das Internet geschaffen werden.
Dass große Plattformen, wie Facebook und Google, stärker in die Pflicht genommen werden müssen – insbesondere, wenn es um hate speech und eine Entschärfung unserer Diskurskultur geht – war weitgehender Konsens. Offen blieb jedoch, wer darüber entscheiden soll, welche Inhalte gelöscht werden. Die Konzerne selbst? Oder doch die User?
In der Workshopsession zur Frage, ob ein neues Vokabular und neue Begrifflichkeiten nötig seien, um Problemen in Verbindung mit Desinformation zu begegnen, wurden vor allem Konzepte zur politischen Bildung entworfen. Medienkompetenz als Schulfach, gegebenenfalls gelehrt von externen Expert*innen, und eine intensive Auseinandersetzung mit Prozessen der Meinungsbildung, waren zentrale Forderungen an ein Curriculum, das eine kritische Öffentlichkeit fördert. Maßnahmen, wie zum Beispiel „argumentative Schutzimpfungen“, bei denen insbesondere junge Menschen gezielt auf bestimmte Manipulationen vorbereitet werden und lernen, ihnen entsprechend zu begegnen, hätten sich als Präventionsmaßnahmen an Schulen im Zusammenhang mit Mobbing bereits bewährt. Sie könnten auch den Umgang mit Falschinformationen trainieren.
Es werden gleichermaßen Aufgaben auf Bürger*innen wie Unternehmen und Regierungen zukommen, wenn es darum geht, die Zukunft unserer Gesellschaften mitzugestalten. Forderungen nach politischer Bildung und einer Anleitung zum kritischen Denken sind im digitalen Zeitalter keineswegs obsolet geworden. Eine Teilnehmerin sagte dazu: „Einige Probleme, denen wir im Digitalen begegnen, müssen wir im Analogen lösen.“
WORKSHOP 2
Parteipolitik und
digitale Opposition
Spielen Parteien in Zukunft noch eine Rolle und wie können alternative demokratische Systeme aussehen? Wie können digitale Technologien unsere Demokratie stärken und welche positiven Beispiele gibt es? Und welche Rolle spielt politischer Aktivismus bei einem Wandel des demokratischen Systems? Diese Fragen diskutierten Paulina Fröhlich und Andreas Barthelmess mit den Teilnehmer*innen und entwarfen erste Strategien für zukünftige Formen politischer Repräsentation im digitalen Zeitalter.
INPUT & DISKUSSION
„Ich sehe große Chancen, die Digitalisierung für die Zivilgesellschaft in Europa zu nutzen und letztendlich so auch die Europäische Integration voran zu bringen“, sagte Paulina Fröhlich, Leiterin des Programmbereichs „Zukunft der Demokratie“ beim Berliner Think Tank „Das Progressive Zentrum“. Sie stellte den Gästen des Workshops in einem kurzen Vortrag das Projekt „European Hub 4 Civic Engagement“ vor. Es kann als Vorzeigemodell für die positiven Effekte stärkerer Vernetzung und Kommunikation im digitalen Zeitalter verstanden werden. Das Tool wurde als Reaktion auf das entwickelt, was als „Shrinking Spaces“ bezeichnet wird: Schwindende Handlungsräume für zivilgesellschaftliche Akteure, vor allem in Ländern, in denen populistische Parteien an der Regierung beteiligt sind. Die Plattform soll den Austausch und die Kooperation zwischen Organisationen und Akteuren auf europäischer Ebene erleichtern.
Andreas Barthelmess stellte in seinem Kurzvortrag die provokante Frage, ob Parteien überhaupt noch zeitgemäß seien. Sollte nicht längst daran gearbeitet werden, ein System jenseits der parlamentarischen Demokratie zu entwerfen?
Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Fragmentierung, stellte der Startup-Unternehmer, Publizist und Berater die Frage, ob alternative Formen der Repräsentation in Zukunft nicht sinnvoller seien. „Wenn Demokratie der Wert ist, den wir schützen wollen und Parteiensysteme die Software sind, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie ein ‚Update‘ aussehen kann.“
Wie eine zukünftige Parteienlandschaft aussehen könnte und welches Wahlsystem am besten dazu geeignet ist, Fragmentierungsprozesse aufzufangen, wurde von Barthelmess und Fröhlich sowie den Teilnehmer*innen kontrovers diskutiert. Insbesondere die Frage danach, wie Repräsentation in Zukunft aussehen kann, polarisierte und wurde im Anschluss in Kleingruppen bearbeitet.
ERGEBNIS WORKSHOPSESSION 2
Die Vorschläge zur Umsetzung der jeweiligen Visionen waren ebenso vielseitig wie kreativ: Von Apps, die die Bedürfnisse der Bürger*innen direkter an Entscheidungsträger*innen kommunizieren können, bis hin zu Bürgerräten.
Häufig werde, so die Kritik einer Teilnehmerin, politische Repräsentation zu sehr in Zusammenhang mit Institutionen und Verwaltung gedacht. Die Aktivistin hielt dies für nicht mehr zeitgemäß, forderte „eine Veralltäglichung von politischer Aktivität“ und wünschte sich inklusivere Formen der Repräsentation.
Vereinfachte Kommunikation innerhalb der Bevölkerung begünstige zudem Konzepte wie das der deliberativen Demokratie, also die gemeinschaftliche Beratschlagung über Fragestellungen mit öffentlichem Interesse.
Die Frage nach der Zukunft der Parteien zog noch grundsätzlichere Fragen nach sich: Wird es in der Zukunft noch Nationalstaaten geben? Oder könnte ein Europa der Regionen den Bedürfnissen der Europäer*innen eher gerecht werden? Kann man den Schwachstellen der Demokratie durch ein Denken jenseits von Staatsgrenzen entgegenwirken?
Die Debatte zeigt: Die Teilnehmer*innen sind zuversichtlich, dass einigen Defiziten politischer Systeme durch neue Technologien entgegengewirkt werden kann. Sie können, bei richtigem Einsatz, mehr Transparenz und eine aktivere Beteiligung der Bevölkerung an der Formulierung einer politischen Agenda ermöglichen.
WORKSHOP 3
Demokratische Wahlen
Können digitale Technologien dazu beitragen, Wahlen transparenter, effizienter und ansprechender zu gestalten? Oder stellen sie im Gegenteil eher eine Bedrohung für demokratische Wahlen dar? Adriana Groh, Alexander Peterhaensel und Max Senges überlegten gemeinsam mit den Teilneh- mer*innen, welches Potenzial und welche Gefahren die Digitalisierung für demokratische Wahlprozesse birgt.
INPUT & DISKUSSION
Adriana Groh beschäftigt sich bei der Open Knowledge Foundation im Rahmen des Projekts „Prototype Fund“ mit gesellschaftsrelevanten Software-Projekten. Zwar sprach sie sich für den Einsatz neuer Technologien in der Phase der politischen Willensbildung aus. Allerdings riet sie davon ab, den Wahlvorgang an sich zu digitalisieren. Die elektronische Auszählung von Wählerstimmen sei zu intransparent und das Risiko, das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren zu groß. Mit Blick auf unzulässige Wahlbeeinflussung merkte sie jedoch an: „Wir sollten mehr Pocket Democracy im Sinne von Tools haben, die uns bei Wahlen begleiten und Transparenz und Accountability verbessern.“
Alexander Peterhaensel, Medienkünstler und Dozent an der Universität der Künste in Berlin, setzt sich in seinen Arbeiten kritisch mit der Verbindung von Wahlen und künstlicher Intelligenz auseinander: „Ich versuche alternative Realitäten zu schaffen, basierend auf dem, was möglich ist.“ In einem provozierenden Kunstprojekt inszenierte er ein fiktives IT-Startup, das damit wirbt, die Entscheidung der Wähler*innen für eine Partei anhand von physiognomischen Merkmalen per Gesichtserkennung treffen zu können. Im Rahmen einer Artist Residency war das Projekt unter anderem bei der Europäischen Kommission in Brüssel zu sehen und regte durch Irritation zum Nachdenken über den Einsatz neuer Technologien an.
Max Senges arbeitet als Lead for Research Partnerships and Internet Governance für Google in Berlin und stellte den Teilnehmer*innen ein Konzept vor, das dabei helfen soll, die Wünsche von Bürger*innen direkter und effektiver in politische Entscheidungsprozesse einzubinden: An der Stanford University hat er zu den Themen Multistakeholder Internet Governance und Deliberative Polling geforscht. Er sieht das demokratische Potential der Digitalisierung vor allem bei der Schaffung von Dialogräumen: „Argumente können ausgetauscht und verfeinert werden, bis sie die beste Repräsentation einer politischen Idee darstellen.“
Groh, Peterhaensel und Senges vertraten mit Blick auf zukünftige Wahlprozesse und den Einsatz von neuen Technologien unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Ansichten. Senges warb beispielsweise für mehr Mut im Umgang mit neuen Technologien und stellte die Chancen in den Vordergrund, musste sich daraufhin aber kritischen Nachfragen stellen, insbesondere bezüglich der Intransparenz vollständig digitalisierter Verfahren.
ERGEBNIS WORKSHOPSESSION 3
In den Gruppen-Sprints wurde schnell deutlich: Zunächst muss geklärt werden, welche Anforderungen im 21. Jahrhundert an politische Beteiligung gestellt werden.
Insbesondere die Frage danach, was eine Bevölkerung braucht, damit sie sich politisch engagieren kann, führte zu spannenden Ergebnissen. Zeit wurde als zentrale Ressource genannt, wenn es darum geht, sich an Wahlen zu beteiligen und ausreichend informiert an Abstimmungen teilzunehmen.
Hier würden neue Technologien indirekt Einfluss nehmen: eine voranschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt könnte zu einer geringeren Wochenarbeitszeit führen und mehr Raum für politische Beteiligung ermöglichen.
Auch grundsätzliche Fragestellungen diskutierten die Gruppen, beispielsweise, in welcher Regelmäßigkeit gewählt werden sollte und über welche Themen direkt abgestimmt werden könnte.
Gespräch & Panel
Kaum ein Phänomen zeigt so eindrucksvoll, welche Chancen digitale Technologien und die Vernetzung im 21. Jahrhundert bieten, wie die Protest-Bewegung #BlackLivesMatter. Opal Tometi, Mitbegründerin und hauptverantwortlich für die digitalen Kanäle der Bewegung, sprach mit Thomas Mann Fellow Armen Avanessian, über die Bedeutung sozialer Medien für das Black-Lives-Matter-Movement und ihren Auswirkungen auf unsere Gesellschaften. Das Publikum in Berlin konnte per Livestream an dem Gespräch teilhaben. Anschließend diskutierte Professor Lance Bennett live aus Washington mit Alexander Sängerlaub und Adriana Groh in Berlin zu den Themen digitale Medien und politischer Aktivismus.
INPUT & DISKUSSION
Die Aktivistin Opal Tometi, Mitgründerin von Black Lives Matter, machte deutlich, dass die Nutzung beispielsweise von Facebook und Twitter für ihre Organisation von entscheidender Bedeutung war. „Wir hatten damals keine Gruppe von technisch besonders versierten Leuten um uns herum”, berichtete Tometi und sagt weiter: „Wir haben einfach genutzt, was uns zur Verfügung stand – Twitter, Google forms und andere simple Programme. Und es hat funktioniert. Es ging den Leuten nicht bloß darum, zu klicken oder zu retweeten, sondern sie wollten auf die Straße gehen und zeigen, wir haben ein echtes Anliegen!” Es sei beispielsweise deutlich leichter geworden Polizeigewalt zu dokumentieren und Beweise zu teilen.
Auf Avanessians Frage, was getan werden könne, um unsere Demokratien zu schützen und am Leben zu halten, merkte Tometi an: „Quality of information is key!“ Obwohl es einen schier grenzenlosen Zugang zu Informationen gebe, müsste darauf geachtet werden, auch deren Richtigkeit zu überprüfen. Opal Tometi und ihre Mitstreiterinnen nutzen seit den Anfangstagen von Black Lives Matter digitale Tools, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Dies ermöglicht in den vergangen Jahren immer wieder die Organisation von Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Diskriminierung von Minderheiten. Die politischen Möglichkeiten ebenso wie die Gefahren digitaler Medien haben sich seit Bestehen der Bürgerrechtsbewegung multipliziert.
In der abschließenden Gesprächsrunde diskutierten Prof. Lance Bennett, Politikwissenschaftler an der University of Washington, Alexander Sängerlaub und Adriana Groh zum Thema „Digital Media and New Forms of Political Activism“. Per Livestream zwischen Berlin und Seattle tauschten die Panelist*innen ihre Ansichten zur Rolle sozialer Netzwerken im Umgang mit Desinformation und ihres mobilisierenden Potentials mit Blick auf politischen Aktivismus aus.
Nachdenkliche Töne schlug dabei Alexander Sängerlaub an und merkte an, dass digitale Medien heute vor allem die Anfälligkeit für Desinformation und politische Manipulation erhöht hätten. Das Wegfallen journalistischer „Gatekeeper”, die lange Zeit als Qualitätsfilter gedient hätten, stelle derzeit eine Überforderung demokratischer Gesellschaften dar. Dies drücke sich in einer Polarisierung des politischen Spektrums aus.
Schluss
Die zentrale Erkenntnis des Tages: Will man Möglichkeiten erkunden, wie digitale Technologien für alternative politische Lösungen nutzbar gemacht werden können, führt der Weg dahin über eine innovative und experimentelle Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen zu politischer Partizipation und Willensbildung und dem Umgang mit Informationen und Wissen.
Immer wieder zeigt sich in Gedankenspielen, Zukunftsvisionen, Lösungsvorschlägen und Wortbeiträgen von Teilnehmer*innen und Impulsgeber*innen: Es gibt zahlreiche Überschneidungen zwischen den Bereichen Desinformation, Parteipolitik und demokratische Wahlen. Die Frage danach, wie neue Technologien den Prozess demokratischer Wahlen in Zukunft vereinfachen und verbessern können, scheint untrennbar mit der Art und Weise verwoben, wie wir uns informieren.
Durch den interdisziplinären Ansatz der Workshops und die Mischung aus Menschen mit den verschiedensten beruflichen und kulturellen Hintergründen entstand ein breites Bild der bevorstehenden Herausforderungen. Auch die entwickelten Lösungsansätze zeigen, wie sinnvoll es ist, Personen mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen miteinander ins Gespräch zu bringen.
TEILNEHMER*INNEN
VERANSTALTER
Der Villa Aurora & Thomas Mann House e. V. fördert als unabhängiger und parteipolitisch ungebundener Mittler der Bundesrepublik Deutschland den geistigen und kulturellen Austausch zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika.
Der Verein vergibt Stipendien in den beiden Residenzen Villa Aurora und Thomas Mann House in Pacific Palisades, einem Stadtteil von Los Angeles im US-Bundesstaat Kalifornien, und veranstaltet Kulturprogramme in den Vereinigten Staaten und in Deutschland. Er hält die Erinnerung an die europäische Exilgeschichte in Kalifornien wach, vermittelt ein zeitgemäßes, vielfältiges Deutschlandbild und ermöglicht ein gemeinsames Nachdenken über gesellschaftliche, kulturelle und politische Herausforderungen.
STATE ist eine in Berlin ansässige Initiative, die seit 2014 Wissenschaft und Gesellschaft auf eine neue Weise zusammenbringt: partizipativ, interdisziplinär und inspirierend. Mit dem STATE Studio eröffnete 2018 in Zusammenarbeit mit Wissenschaft im Dialog (WiD), der Initiative für Wissenschaftskommunikation in Deutschland, ein Galerie- und Veranstaltungsraum für offene Wissenschaft, Kunst und Innovation im Herzen von Berlin. Dort treffen Kunst, Wissenschaft und Technologie aufeinander, um im gemeinsamen Austausch wegweisende Zukunftsentwicklungen zu erkunden. Mit einer Dauerausstellung und verschiedenen Veranstaltungsformaten kuratiert STATE Entdeckungstouren zu den Trends wegbereitender Forschung und Innovation.
Während des Deutschlandjahres betreibt das Goethe-Institut vier Pop Ups – in Houston, Kansas City, Minneapolis und Seattle. Dort werden exemplarisch Beispiele aus der Arbeit eines Goethe-Instituts gezeigt. Vor allem aber sollen sich die Einrichtungen mit Kulturschaffenden und der Zivilgesellschaft vor Ort vernetzen und Veranstaltungen durchführen.
Von Oktober 2018 bis Ende 2019 findet in den USA ein Deutschlandjahr statt. Das Deutschlandjahr arbeitet mit über 200 Partnern auf beiden Seiten des Atlantiks zusammen und umfasst über 1.000 Veranstaltungen in allen 50 Bundesstaaten. Damit wird ein umfassendes Bild der facettenreichen deutsch-amerikanischen Beziehungen gezeichnet - in den Bereichen Wissenschaft, Kunst, Kultur, Sprache, Wirtschaft und Sport. Gefördert werden soll der Austausch mit Amerikanerinnen und Amerikanern im ganzen Land – nicht nur in New York, Washington und Los Angeles, sondern auch im Herzen des Landes. Wunderbar Together ist eine gemeinschaftliche Initiative, die vom Auswärtigen Amt gefördert, vom Goethe-Institut realisiert und vom Bundesverband der Deutschen Industrie unterstützt wird.
Die University of Washington ist eine der weltweit bedeutendsten öffentlichen Universitäten. Mehr als 54.000 Studierende werden jährlich dort ausgebildet und auch letztes Jahr zählte sie wieder zu den Top 20 Universitäten der Welt. Die Veranstaltung fand im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Center for West European Studies der Henry M. Jackson School of International Studies der University of Washington statt.
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